Künstliche Intelligenz soll Schneeleoparden und Nutztiere in Pakistan schützen

In den schneebedeckten Bergen des nördlichen Pakistan lebt eines der geheimnisvollsten und gefährdetsten Tiere der Welt: der Schneeleopard. Von der Weltbevölkerung dieser Großkatze – geschätzt auf 4.000 bis 6.000 Tiere – leben rund 300 in Pakistan. Doch ihr Überleben ist bedroht – nicht nur durch Wilderei, sondern auch durch Konflikte mit lokalen Hirten.
Ein neues Projekt der Umweltschutzorganisation WWF in Zusammenarbeit mit der Lahore University of Management Sciences (LUMS) setzt nun auf künstliche Intelligenz (KI), um sowohl die Tiere als auch die Lebensgrundlagen der Menschen zu schützen.
Technik im Hochgebirge: Kameras mit KI und Solarstrom
In abgelegenen Bergregionen auf über 3.000 Metern Höhe wurden spezielle Kameras installiert. Diese werden mit Solarenergie betrieben und sind mit KI-Software ausgestattet, die zwischen Menschen, Haustieren und Schneeleoparden unterscheiden kann.
Sobald ein Schneeleopard erkannt wird, soll ein automatischer Textalarm per SMS an lokale Bauern gesendet werden. Ziel ist es, die Nutztiere rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, bevor es zu Angriffen kommt. Die Geräte speichern Daten auch offline, falls kein Mobilfunknetz verfügbar ist – was in diesen abgelegenen Gegenden häufig der Fall ist.
Kameras im Testbetrieb – erste Erfolge sichtbar
Bisher wurden zehn dieser Kameras in drei Dörfern in der Region Gilgit-Baltistan installiert. Das KI-System wurde über drei Jahre hinweg trainiert, um möglichst präzise Ergebnisse zu liefern. Zwar erkennt es Menschen in dicker Winterkleidung manchmal auch als „Tier“, doch erste Aufnahmen von Schneeleoparden bestätigen die Funktionsfähigkeit des Systems.
Eines der Videoaufnahmen zeigt eine Schneeleopardin bei Nacht, wie sie ihr Revier markiert – eine Seltenheit, die nur durch die empfindlichen Infrarotkameras sichtbar wurde.
Herausforderungen vor Ort: Technik trifft Misstrauen
Neben den technischen Hürden – wie extremen Wetterbedingungen, Lawinen oder beschädigten Solarpanels – gibt es auch soziale Herausforderungen. In einigen Dörfern misstrauen die Bewohner der Technik. Kabel wurden durchtrennt, Kameras mit Decken abgedeckt.
Auch Datenschutz und kulturelle Sensibilität spielen eine Rolle: Einige Kameras mussten versetzt werden, da sie zu nah an Wegen standen, die Frauen regelmäßig nutzen. Zudem hat nicht jedes Dorf bisher die notwendigen Zustimmungen zur Kameraüberwachung gegeben.
Spannungsfeld Mensch und Wildtier
Trotz gesetzlichem Schutz werden laut WWF jedes Jahr bis zu 450 Schneeleoparden getötet – oft aus Vergeltung, nachdem Nutztiere gerissen wurden. Mehr als die Hälfte dieser Tode stehen mit Konflikten zwischen Mensch und Tier in Verbindung.
So auch bei der Bäuerin Sitara, die sechs ihrer Schafe an einen Schneeleoparden verlor. Die Tiere stellten ihren gesamten Besitz dar. „Das waren drei bis vier Jahre Arbeit – zerstört in einer Nacht“, sagt sie. Ob eine SMS-Benachrichtigung künftig helfen kann? Sie zweifelt: „Mein Handy hat kaum Empfang.“
Warum Schneeleoparden wichtig sind
Schneeleoparden jagen Tiere wie den Sibirischen Steinbock oder Blauschafe, die sonst die Graslandschaften überweiden würden. Diese Flächen brauchen jedoch auch die Dorfbewohner, um ihr eigenes Vieh zu füttern. Die Großkatzen spielen somit eine wichtige Rolle im Gleichgewicht des Ökosystems.
Doch durch den Klimawandel ziehen sich immer mehr Bauern und ihr Vieh in höhere Lagen zurück – genau dort, wo Schneeleoparden leben. So kommt es immer häufiger zu Konflikten.
Mehr als Kameras: Neue Tests mit Gerüchen und Geräuschen
Die WWF-Teams wissen, dass Technik allein nicht reicht. Ab September wollen sie daher an ausgewählten Kamera-Standorten auch akustische und optische Abschreckungen testen: etwa Geräusche, Lichter oder Gerüche, die Schneeleoparden fernhalten sollen.
Die Hoffnung bleibt, dass diese Maßnahmen Mensch und Tier helfen – und ein weiteres Verschwinden dieser „Geister der Berge“ verhindert werden kann.