„Deutschland darf Gründer nicht mit Bürokratie erschlagen“ – Investor Alfred Wieder über die neue Bundesregierung und Start-up-Förderung

Alfred Wieder: Ich erwarte, dass sie endlich erkennt, welch enormes Potenzial in unserer Gründerszene steckt – und dass man nicht nur mit Sonntagsreden, sondern mit echten Maßnahmen unterstützt. Deutschland braucht dringend mehr Gründergeist, mehr Kapital für Innovationen und weniger Bürokratie. Die Politik hat es jetzt in der Hand, ob wir international mithalten – oder weiter zusehen, wie gute Ideen ins Ausland abwandern.
Wo genau hakt es Ihrer Meinung nach?
Es beginnt beim Zugang zu Wagniskapital. Viele junge Unternehmen mit großem Potenzial bekommen hierzulande keine ausreichende Finanzierung – nicht, weil die Idee schlecht ist, sondern weil es schlicht zu wenig mutige Investoren gibt und der Staat nicht ausreichend anreizt, in Start-ups zu investieren. Außerdem ist die Gründungsbürokratie immer noch abschreckend. Wer ein Start-up in Deutschland gründet, hat erstmal mehr mit Formularen als mit Kunden zu tun.
Was müsste die neue Regierung konkret tun?
Drei Dinge: Erstens eine umfassende Entbürokratisierung, vor allem bei Gründung, Steuer und Berichtspflichten. Zweitens ein Startup-Investorenprogramm, das private Investoren steuerlich entlastet, wenn sie in innovative Unternehmen investieren. Drittens ein stärkerer Fokus auf Bildung und Unternehmertum – bereits in Schulen und Hochschulen. Gründergeist kann man wecken, aber dafür muss er auch gewollt sein.
Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?
Wir liegen zurück. Länder wie Estland, Israel oder auch Frankreich machen vor, wie ein innovationsfreundliches Klima aussieht. In Frankreich gibt es z. B. gezielte staatliche Co-Investments in Start-ups. Und bei uns? Da wartet man manchmal sechs Monate auf die Eröffnung eines Geschäftskontos. Das muss sich ändern.
Gibt es auch positive Entwicklungen?
Ja, definitiv. Die Szene selbst ist stark. Die Gründerinnen und Gründer sind gut ausgebildet, technologieaffin und motiviert. Auch einige Förderprogramme wie EXIST oder die High-Tech Gründerfonds funktionieren gut. Aber der Schritt vom Pilotprojekt zur echten Breitenwirkung fehlt oft. Es reicht nicht, wenn nur Start-ups in Berlin oder München profitieren – das muss überall möglich sein.
Abschließend gefragt: Was wünschen Sie sich persönlich von dieser Koalition?
Mut. Mut zur Vereinfachung, Mut zur Förderung von Innovation, Mut, Dinge neu zu denken. Wenn wir wirklich wollen, dass die nächste SAP oder BioNTech aus Deutschland kommt, müssen wir endlich die Rahmenbedingungen schaffen, damit Gründer nicht das Land verlassen – sondern hier bleiben und wachsen.
Kurzprofil Alfred Wieder:
Alfred Wieder ist Unternehmer, Investor und Mitgründer der AWAG. Er gilt als Pionier im Bereich Mittelstands- und Startup-Investments in Deutschland und setzt sich seit Jahren für bessere Wachstumsbedingungen für junge Unternehmen ein.