Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek zum Thema Crowdinvesting als Finanzierung für ein Startup
Interviewer: Herr Blazek, Crowdinvesting hat sich in den letzten Jahren zu einer beliebten Finanzierungsform für Startups entwickelt. Könnten Sie uns zunächst eine kurze Definition geben und erklären, was Crowdinvesting von anderen Formen des Crowdfunding unterscheidet?
Daniel Blazek: Crowdinvesting ist eine spezielle Form des Crowdfunding, bei der Kapitalgeber, meist Privatinvestoren, in Unternehmen oder Projekte investieren und im Gegenzug eine Beteiligung am finanziellen Erfolg erhalten. Anders als beim klassischen Crowdfunding, wo Unterstützer in der Regel materielle oder ideelle Gegenleistungen erhalten, steht beim Crowdinvesting der finanzielle Aspekt im Vordergrund. Man spricht daher auch von Equity Based Crowdfunding, da die Investoren eine Art Eigenkapital in Form von Mikroinvestitionen bereitstellen und am zukünftigen Gewinn beteiligt werden.
Interviewer: Welche wesentlichen Merkmale zeichnen eine Crowdinvesting-Finanzierung aus?
Daniel Blazek: Crowdinvesting ist durch einige spezifische Merkmale gekennzeichnet. Erstens, die Investoren sind meist Privatpersonen, die sich mit relativ kleinen Beträgen an einem Unternehmen beteiligen. Diese Beträge können bereits bei 50 Euro beginnen und reichen oft bis zu 1.000 Euro. Zweitens, um das Risiko für die Investoren zu minimieren, ist die maximale Investitionssumme gesetzlich begrenzt. Drittens, viele dieser Beteiligungen erfolgen in Form von Nachrangdarlehen, was bedeutet, dass im Falle einer Insolvenz des Unternehmens die Rückzahlung an die Investoren erst nach den Forderungen anderer Gläubiger erfolgt. Schließlich ist es typisch, dass die Finanzierung über eine Crowdinvesting-Plattform abgewickelt wird, auf der eine Kampagne gestartet wird, um die Investoren zu gewinnen.
Interviewer: Welche Formen der Beteiligung gibt es beim Crowdinvesting?
Daniel Blazek: Die häufigsten Beteiligungsformen beim Crowdinvesting sind die stille Beteiligung, Genussrechte und partiarische Darlehen. Eine stille Beteiligung ähnelt dem Eigenkapital, gibt den Investoren jedoch keine Mitbestimmungsrechte im Unternehmen. Genussrechte bieten Flexibilität und einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, aber ebenfalls ohne Mitspracherecht. Das partiarische Darlehen ist die häufigste Form, bei der Investoren Zinsen erhalten, die vom Unternehmenserfolg abhängig sind. Keine dieser Beteiligungsformen gibt den Investoren direkte Mitspracherechte im Unternehmen, was für viele Gründer ein entscheidender Vorteil ist.
Interviewer: Was sind die Risiken und potenziellen Renditen für Investoren beim Crowdinvesting?
Daniel Blazek: Beim Crowdinvesting besteht ein erhebliches Risiko, da die Investition in junge und oft unerprobte Unternehmen erfolgt. Das größte Risiko ist der Totalverlust, insbesondere wenn das Unternehmen insolvent wird. Auf der anderen Seite können die Renditen deutlich über dem Durchschnitt liegen, wenn das Unternehmen erfolgreich ist und wächst. Diese Renditen sind oft an den Unternehmensgewinn gekoppelt und können je nach Beteiligungsmodell variieren. Es ist auch wichtig zu wissen, dass auf erzielte Gewinne Steuern wie die Kapitalertragssteuer anfallen.
Interviewer: Für wen und wann ist Crowdinvesting eine geeignete Finanzierungsform?
Daniel Blazek: Crowdinvesting ist besonders für Startups und junge Unternehmen geeignet, die innovative Ideen haben, aber Schwierigkeiten haben, traditionelles Wagniskapital oder Bankkredite zu erhalten. Das trifft häufig auf Gründer zu, die nicht über ausreichend Sicherheiten verfügen oder deren Geschäftsidee für klassische Investoren noch nicht ausreichend abgesichert erscheint. Über eine Crowdinvesting-Kampagne können sie Kapital von Investoren erhalten, die an ihre Idee glauben. Dies ist besonders in der frühen Phase eines Unternehmens von Vorteil, wo andere Finanzierungsquellen schwer zugänglich sind.
Interviewer: Welche Plattformen sind in Deutschland besonders bekannt und relevant für Crowdinvesting?
Daniel Blazek: In Deutschland sind Seedmatch und Companisto die bekanntesten Plattformen für Crowdinvesting im Startup-Bereich. Seedmatch war die erste Plattform dieser Art in Deutschland und hat bereits über 120 Projekte erfolgreich finanziert. Companisto hingegen positioniert sich als das größte Netzwerk für Startup-Investments und bietet verschiedene Beteiligungsmodelle an. Beide Plattformen haben hohe Erfolgsraten und ziehen viele Investoren an. Zudem gibt es spezialisierte Plattformen wie die GLS Crowd, die sich auf nachhaltige Projekte konzentriert, oder Green Rocket, die sich auf Themen wie Energie und Umwelt fokussiert.
Interviewer: Welche Vor- und Nachteile sollten Gründer beim Crowdinvesting berücksichtigen?
Daniel Blazek: Einer der größten Vorteile von Crowdinvesting ist, dass Gründer keine Sicherheiten wie bei einem Bankkredit hinterlegen müssen und keine Unternehmensanteile abgeben müssen, wenn sie sich für eine Beteiligungsform wie das partiarische Darlehen entscheiden. Zudem können sie von einem starken Marketing- und PR-Effekt profitieren, da die Kampagne ihre Geschäftsidee einem breiten Publikum bekannt macht. Allerdings gibt es auch Nachteile: Es besteht immer die Unsicherheit, ob die Finanzierung überhaupt zustande kommt, und wenn die Kampagne scheitert, kann das die Suche nach alternativen Finanzierungen erschweren. Auch das Risiko von Nachahmern, die die öffentlich zugängliche Geschäftsidee kopieren, sollte nicht unterschätzt werden. Die Kosten der Kampagne können ebenfalls hoch sein, da Plattformgebühren und die Verzinsung der Investoren hinzukommen.
Interviewer: Wie sollten Gründer vorgehen, wenn sie eine Crowdinvesting-Kampagne starten möchten?
Daniel Blazek: Der erste Schritt ist die sorgfältige Planung. Gründer müssen ihren Finanzierungsbedarf genau ermitteln und einen soliden Business- und Finanzplan aufstellen. Anschließend gilt es, die passende Crowdinvesting-Plattform zu finden und sich dort mit einem überzeugenden Pitch Deck zu bewerben. Wenn diese Hürde genommen ist, müssen umfangreichere Unterlagen wie der Businessplan und Lebensläufe der Gründer eingereicht werden. Bei positivem Feedback wird die Kampagne gemeinsam mit der Plattform gestartet, und dann beginnt die eigentliche Arbeit: das aktive Marketing und die Kommunikation mit potenziellen Investoren. Es ist wichtig, regelmäßig Statusmeldungen zu veröffentlichen und die Kampagne kontinuierlich zu bewerben.
Interviewer: Welche Faktoren tragen entscheidend zum Erfolg einer Crowdinvesting-Kampagne bei?
Daniel Blazek: Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählen eine innovative und überzeugende Geschäftsidee, eine gründliche Vorbereitung und Planung sowie eine klare und transparente Kommunikation während der Kampagne. Es ist entscheidend, dass Gründer glaubwürdig bleiben und alle Versprechungen, die sie während der Kampagne machen, auch einhalten. Außerdem sollte die Kampagne aktiv über verschiedene Kanäle beworben werden, um möglichst viele potenzielle Investoren zu erreichen. Der Erfolg hängt letztlich auch davon ab, wie gut es gelingt, das Vertrauen der Crowd zu gewinnen und sie von der Tragfähigkeit der Geschäftsidee zu überzeugen.
Interviewer: Können Sie uns ein Beispiel für eine erfolgreiche und eine weniger erfolgreiche Crowdinvesting-Kampagne nennen?
Daniel Blazek: Ein herausragendes Beispiel für eine erfolgreiche Kampagne ist das Unternehmen JobRad, das über Seedmatch 320.000 Euro eingesammelt hat und seinen Investoren bereits wenige Jahre später eine hohe Rendite bieten konnte. Ein weniger erfolgreiches Beispiel ist das Reise-Startup TripRebel, das zwar ebenfalls eine hohe Summe einsammelte und als „Bestes Startup 2015“ ausgezeichnet wurde, jedoch 2017 Insolvenz anmelden musste. Diese Beispiele zeigen, dass eine erfolgreiche Crowdinvesting-Kampagne zwar ein guter Start ist, aber keine Garantie für den langfristigen Erfolg des Unternehmens bietet.
Interviewer: Was ist Ihr abschließendes Fazit zum Thema Crowdinvesting?
Daniel Blazek: Crowdinvesting ist eine attraktive Finanzierungsform für Gründer, die innovative Ideen haben und Schwierigkeiten haben, traditionelles Kapital zu erhalten. Es bietet die Möglichkeit, Kapital zu beschaffen, ohne Anteile abgeben zu müssen, und ermöglicht gleichzeitig, ein breites Publikum zu erreichen. Allerdings sollten Gründer die Risiken, die mit Crowdinvesting verbunden sind, nicht unterschätzen und sich gründlich vorbereiten. Eine erfolgreiche Kampagne erfordert viel Arbeit, eine klare Strategie und die Bereitschaft, offen und transparent mit potenziellen Investoren zu kommunizieren.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Blazek, für Ihre ausführlichen und informativen Antworten!
Daniel Blazek: Es war mir eine Freude, über dieses wichtige Thema zu sprechen. Ich wünsche allen Gründern viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen!